Akuter Schmerz ist für den Menschen ein lebensnotwendiges Warnsignal, damit er merkt „hallo, hier stimmt etwas nicht“, „hier ist etwas nicht in Ordnung“. Schmerz macht uns wach und empfindlich, damit wir uns um eine Verletzung gut kümmern, wir schonen ein Körperteil für einige Zeit oder pflegen eine Wunde mit einer Salbe, um den Heilungsprozess zu unterstützen. Bei Bauch- oder Magenschmerzen kann eine Diät, also eine Schonung für das Verdauungssystem helfen. Starke Kopfschmerzen oder Migräne zwingen einem manchmal auch direkt ins Bett, und ein heilsamer Schlaf kann Wunder wirken bei verschieden körperlichen Schmerzzuständen.
Hat der Schmerz keine Warnfunktion mehr, oder überdauert er einen normalen Heilungsverlauf, spricht man von chronischem Schmerz. In seltenen Fällen kann auch die Situation vorliegen, dass vor dem chronischen Schmerz kein akuter Schmerz aufgetreten ist.
Chronische Schmerzen unterscheiden sich im Vergleich zu akuten Schmerzen in der Weiterleitung und Verarbeitung von Signalen zwischen der schmerzenden Körperstelle und dem Gehirn. Es kommt zu einer Sensibilisierung der Nervenzellen der Organe (in Muskelgeweben, Haut, Gelenken) und den schmerzverarbeitenden Bahnen in Rückenmark und Gehirn.
Im Detail werden diese Mechanismen auch in der medizinisch-wissenschaftlichen Forschung erst nach und nach verstanden. Jedenfalls wird davon ausgegangen, dass sich fehlgeleitete und chronisch aktivierte Schmerz-Prozesse wieder normalisieren können.
Therapie von chronischen Schmerzen
Chronischer Schmerz ist immer den einzelnen Menschen betreffend und einzigartig zu sehen, und der Weg aus den Schmerzen ebenso. Dies beginnt bei einer gründlichen Erhebung der Anamnese, sowie sämtlicher Begleitumstände der Schmerzen. Nach körperlicher Untersuchung und schulmedizinischer Diagnostik wird ein individuelles Vorgehen festgelegt. Therapeutisch werden zur Behandlung von chronischen Schmerzen Medikamente, physikalische Therapien(Wärme, Massagen, u.a.) und verschiedene Formen Bewegungstherapie eingesetzt.
Darüber hinaus geht es in der Integrativen Schmerztherapie vor allem darum, den Schmerz besser kennenzulernen, einzuschätzen und im Verlauf auch steuern zu lernen. Das klingt auf den ersten Blick sehr einfach, kann sich für Betroffene jedoch als große Hürde darstellen. Beispielsweise versucht die Schmerzpatientin / der Schmerzpatient naturgemäß den Schmerz und schmerzende Körperbereiche gedanklich oder auch mit Medikamenten auszuschalten und zu verdrängen. Für eine langfristige Linderung ist es jedoch oft erforderlich, in den Schmerz auch bewusst „hineinspüren“ zu lernen, um ihn besser zu verstehen und letztlich auch steuern zu lernen. Ein strukturiertes und schrittweises Vorgehen ist hierbei wesentlich.
Im Rahmen einer psychosomatischen Begleitung oder Gesprächstherapie kann dieser Prozess durch Wissensvermittlung, Entspannungs- und Imaginationsübungen und weitere Methoden zur Stressreduktion begleitet werden. Außerdem werden Themen wie Bewegung, Ernährung, Alltagsgestaltung und sämtliche damit im Zusammenhang stehende Fragen der betroffenen Patientin / des betroffenen Patienten beleuchtet. Ziel ist es, sämtliche Möglichkeiten auszuloten, wie der eigene Schmerz besser verstanden und schließlich langfristig positiv beeinflusst werden kann.
Exkurs: Diese sogenannten nicht-medikamentösen Schmerztherapien orientieren sich unter anderem an bestimmten Schmerz-Modellen, beispielsweise über die Funktionsweise von sogenannten Schmerzschranken. So ist etwa bekannt, dass positive sensorische Botschaften (das sind empfindungsmäßige Reize durch Berührung oder Bewegung) aus Haut, Muskeln und Gelenken wesentlich rascher als Schmerzreize in den Nervenbahnen Richtung Gehirn verarbeitet werden. Treffen diese positiven oder beruhigenden Impulse gleichzeitig mit Schmerzimpulsen im Gehirn ein, verhindern oder verringern sie eine weitere Verarbeitung der Schmerzimpulse.
Das ergibt eine sehr wesentliche Erkenntnis für betroffene Patienten: Durch verschiedene Tätigkeiten (Bewegung, Musik, Lesen oder Behandlungsformen (Massage, äußere Anwendungen, Wärmetherapie, Entspannungsübungen usw.) können die Schmerzschranken selbst aktiviert und damit der Intensität von chronischen Schmerzen aktiv entgegengesteuert werden.
Integrative medikamentöse Therapie aus der Anthroposophischen Medizin
In der Anthroposophischen Medizin werden die Heilmittel nach eigenen bzw. erweiterten Gesichtspunkten ausgewählt. Je nach Schmerzart und Konstitution der Patientin/des Patienten werden Heilpflanzen oder spezielle anthroposophische Kompositionsmittel ähnlich wie in der Homöopathie individuell ausgewählt. Dabei spielen die Lokalisation des Schmerzes, die Schmerzqualität (z.B. brennend, stechend, ziehend, krampfartig usw.), und auch Aspekte der körperlichen und seelischen Konstitution eine große Rolle. Anthroposophische Heilmittel zur Schmerztherapie enthalten Auszüge oder homöopathische Zubereitungen beispielsweise aus Eisenhut, Zaunrübe, Kamille, Sauerklee, Mistel, Bienengift oder Ameisensäure.
Regulative Therapien
Als integrativmedizinische Behandlung werden bei chronischen Schmerzen regulative Behandlungen, wie Ohrakupunktur, Schröpfen, Wickelanwendungen und andere, unterstützend angewendet. Sie wirken direkt über die Haut oder indirekt regulierend über das Nervensystem, besonders bei jenen Schmerzzuständen, bei welchen das Nervensystem durch eine länger bestehende Stressreaktion chronisch aktiviert ist. Insbesondere Wickelanwendungen nach den Gesichtspunkten der Anthroposophischen Medizin können hilfreich sein, wenn ein chronischer Schmerz durch einen auch länger zurückliegenden Unfall oder eine andere traumatisierende Situation ausgelöst wurde.
Weitere ergänzende Therapien bei chronischen Schmerzen
Künstlerische Therapien: Kunsttherapie, Musiktherapie, Sprachgestaltung
Bewegungstherapien: Heileurythmie, Qigong, Yoga
Psychologische und Psychotherapeutische Beratung und Behandlung